Wahre Geschichten...

Es gibt Ereignisse, die würde man am liebsten aus dem Kalender des Lebens streichen. Aber man macht das beste daraus. Dann gibt es aber Ereignisse, denen man machtlos gegenüber steht und einem nur noch eine Möglichkeit bleibt: Der Kampf.

Im Jahr 2012 hatten wir ganz viele solcher Ereignisse. Angefangen hat es damit, dass ich an Krebs erkrankte. Im Mai dann die OP, ab Juni Chemo und ab November Bestrahlung. Dazwischen wurde unsere Debbie per Kaiserschnitt Mama von fünf süßen Fellnasen, von denen vier innerhalb von 2 Tagen verstarben. Das war eine ganz schreckliche Zeit, an die wir immer mit Herzschmerzen zurück denken. Ein einziges Katerchen hat überlebt: Gismo, der kleine Prinz. Er hat inzwischen ein tolles Zuhause gefunden. Dann bekam unsere Holly sieben Babys. Eines schöner als das andere. Alle gediehen prächtig, bis eines Tages...

Ich möchte hier von Huckleberry und Hemmingway erzählen. Davon, wie Mensch und Tier Seite an Seite gekämpft haben. Es war ein schwerer Kampf mit vielen Tränen. Aber gemeinsam haben wir gesiegt.


Huckelberry´s Start ins Leben und wie aus dem Kleinsten der Größte wurde.

Huckelberry war der frechste Lausbub, der je bei uns war. Ihm war aber auch so gar nichts heilig. Er war der wildeste, wenn es um das spielen ging und seine Geschwister waren froh, mal Ruhe vor Ihm zu haben. Und immer sah man in seinen Augen, dass er damit beschäftigt war wieder etwas auszuhecken. Aber ihm konnte man nicht lange Böse sein. Er hat dieses „gib´s zu, du findest mich total süss“ Gen. Alles war gut. Aber das Schicksal geht manchmal seltsame Wege. Und so begab sich ein freundliches Ehepaar, die sehr viel Erfahrung mit Maine Coons hatten, auf die Suche nach einem zusätzlichen Spielkameraden für ihre Katzendame. Auf Empfehlung unserer Ärztin bat man uns um einen Kuscheltermin.Wie schon so viele male zuvor, wenn sich Besuch anmeldete, waren wir natürlich sehr gespannt und wir fragten uns wie immer: Wer wird Ihnen am besten gefallen, werden sie mit unseren Abgabebedingungen einverstanden sein hoffentlich versuchen sie nicht mit dem Preis zu feilschen usw... Alles war ganz normal. Nun war es soweit. Es klingelte an der Tür. Ein kurzer Blick in alle Ecken beim Gang zur Tür (hoffentlich hat keine der Fellnasen irgendwo noch Unheil angerichtet, vielleicht noch schnell ein Bäuerchen gemacht oder nach dem Toilettengang nicht alles verscharrt...). Nein alles war in Ordnung. Herr und Frau Fasshauer begrüßen uns freundlich und ließen erst gar keinen Irrtum aufkommen warum sie uns besuchten. Kaum huschte das erste Kitten durch ihre Blick, schon waren wir abgemeldet, Der Schmusetermin wurde voll genutzt. Viele Fragen an uns und auch von uns an die Beiden. Schnell wurde klar: hier trafen sich vier Menschen mit Liebe zum Tier. Auch alle Kitten zeigen sich zu unser aller Freude bestens gelaunt und ausgeruht. Jedoch war es Huckelberry, der keinem seiner Mitstreiter eine Chance ließ, das Herz der Beiden zu beeindrucken. Immer wieder verdrängte er geschickt seine Mitbewerber, so dass es immer wieder hieß:“ Ach, du schon wieder...“ und so kam es wie es kommen musste. Irgendwann fielen die vier magischen Worte „Du hast uns ausgesucht“. Und das hatte er tatsächlich. Wie wichtig es für Ihn war, dass ausgerechnet diese liebevollen und verantwortungsvollen Menschen sich für Ihn entschieden, war in diesem Moment noch niemandem bewusst. So zog Huckelberry wenige Tage später aus und vom ersten Moment an, als er aus dem Transporter in sein neues Zuhause trat, tat er dieses ohne Angst und als wäre er schon immer dort gewesen. Ca. eine Woche nach Huckelberrys Auszug rief uns die Besitzerin von Huckelberry an, sie waren ganz begeistert er hatte sich gut eingelebt, bringt frischen Wind ins Haus und eigentlich ist alles gut. Eigentlich. Irgendwie hatte er wohl ein bisschen Probleme mit der Verdauung. Scheinbar klemmts ein wenig. Aber das kann ja schon mal sein. Vielleicht anderes Essen oder das neue Zuhause ist doch noch zu neu. Wenige Tage später am Telefon berichtete man uns, das er einen kleinen Einlauf bekommen habe aber nun ginge es ihm besser. Er wäre schon wieder fast der Alte. Aber eben auch nur fast. Zwei Tage später wurde er wieder sehr ruhig und konnte erneut keinen Kot absetzen. Das röntgen des Darms zeigte nichts beunruhigendes und so bekam er erneut einen Einlauf in der Hoffnung nun wird es dann aber auch besser werden. Aber es blieb dabei – nach einem Einlauf wurde es besser, aber auch gleich wieder schlechter. Blutwerte auf dem ersten Blick alles OK. Wir machten einen Krankenbesuch. Mittlerweile wirkt er lethargisch. Man sah ihm an, es ging ihm schlecht. Unser Tierärztin ( die auch weiterhin Huckelberrys Tierärztin bleibt, er wohnt nur ein paar Häuser weiter) spricht mit Ihrem Team und man überlegte den Ammoniakwert des Blutes zu prüfen. Diese sollte zwischen 25 und 100 liegen.Volltreffer! Huckelberrys Wert liegt bei 500. Das war eine Katastrophe. Die Besitzer und wir vereinbarten mit der Tierärztin einen Termin und nachdem alle anderen Patienten die Kliniksprechstunde verlassen hatten, trafen wir uns in der Praxis. Da bekamen wir folgende Info:

Huckelberry hat einen Lebershunt


Was ist ein Lebershunt

Ein portosystemischer Shunt wird durch einen veränderten Verlauf von Blutgefäßen (Venen) der Bauchorgane hervorgerufen. Normalerweise wird das Blut des Magens, des Darms, der Milz und der Bauchspeicheldrüse in einer großen Vene, der Portalvene, gesammelt und der Leber zur Entgiftung zugeführt. Ist ein portosystemischer Shunt vorhanden wird Blut aus einem oder mehreren der genannten Organe nicht durch die Leber geleitet. Ein zusätzliches Gefäß, das so genannte Shuntgefäß, führt das Blut an der Leber vorbei. Dieses, nicht durch die Leber von seinen Giftstoffen bereinigte, Blut wird vom Herzen in den Kreislauf gepumpt und kann dort zu Vergiftungserscheinungen führen

Was können wir tun?

Unsere Tierärztin erklärte uns, dass es operabel ist, sagte aber auch, dass er sehr klein wäre für eine solche Operation und sie kenne nur zwei Kliniken, die sich das überhaupt zutrauen würden. Schnell ist auch jedem klar, der Preis für die OP ist hoch, sehr sehr hoch. Wir gingen zurück zu Huckelberry, saßen im Wohnzimmer und waren alle geschockt. Dann überlegten wir gemeinsam, was zu tun ist. Huckelberrys neue Besitzer sind zwar nicht mittellos, aber die Summe der OP konnte keiner alleine stemmen. Offene Worte und der unbedingte Wunsch, diesen kleinen Lausbub das Leben zu retten machte aus uns an diesem Abend ein Bollwerk. Wir nahmen uns fest vor: Der kleine Mann wird leben! Und so wurde nicht nur das Leid geteilt, sondern auch die Kosten rund um die OP.

 

BERRY WIRD OPERIERT

Ein paar Tage später ging´s schon los. Auf nach Braunschweig. Von Kassel aus nicht zu weit, aber auch nicht gerade um die Ecke. Ein CT zeigt: die Diagnose war richtig. Man konnte es deutlich auf dem CT sehen. Die nun verabreichte Eiweiß arme Diät half ihm, sich ein wenig zu erholen. Dr. Kaiser, der Operateur von Berry, brauchte dieses CT vorab, um sich auf diese OP vorzubereiten. Er wird später sagen „ Um diese OP durchzufüheren, musste ich planen  wie ein Architekt plant, ein Haus zu bauen“. Es ging wieder nach Hause und eine Woche später war der OP Termin. Die Operation hatte natürlich, wie jede OP, große Risiken. Die Narkose und natürlich Verletzungen von Nerven und anderen Organen usw. Das größte Risiko war allerdings, dass 2-5 % der Tiere innerhalb der ersten drei Tage Krampfanfälle erleiden. Das bedeutet, der Körper wird mit der Umstellung nicht fertig und das Tier wird in der Regel wenige Tage nach der OP euthanasiert.

Berry hatte alles überstanden. Dr. Kaiser und das OP Team waren sehr zufrieden und irgendwie hatte er sich auch in Braunschweig schon in das Herz aller geschlichen. Donnerstags, also nach drei Tagen, sollte er wieder abgeholt werden. Mittwoch ein letztes Telefonat mit Familie Fasshauer. Ich wollte mit fahren nach Braunschwweig und freute mich schon sehr darauf, den kleinen Mann wieder nach Hause zu bringen. Ich verschob auch meinen Termin zur Bestrahlung. Mein Sohn sollte mich um 13 Uhr bei Familie Fasshauer absetzten und dann wollten wir los fahren. Alles war genau geplant. Kurz nach 9 Uhr bekam ich einen Anruf von meinem Mann. „Herr Fasshauer hat gerade angerufen. Berry kann nicht nach Hause. Er hatte heute Nacht einen Krampfanfall. Der Arzt sagte, es wäre ernst.“ Wir wussten beide, was das bedeutete. Ich hatte das Gefühl, ich falle ins leere. Schluchzen am Telefon. Wir konnten beide nicht mehr sprechen. Es ging ihm doch so gut. So kurz vorm Ziel und nun doch verloren? Nachmittags meldet sich Dr. Kaiser nochmal und Herr Fasshauer und Andreas telefonierten erneut. In Braunschweig gab man noch nicht auf und es wurde getan was in den Kräften aller stand. Während des Klinikaufenthalts wird jeden Tag mindestens einmal mit dem/den Arzt/Ärzten gesprochen. Er krampfte immer noch, schien nicht mehr sehen zu können. Jedoch kämpfte er. Die Zeit von Krampf zu Krampf wurde deutlich länger. Wenn er nun bis Donnerstag nicht mehr krampfen würde, könne er entlassen werden. Mit dem schlimmsten gerechnet, aufs beste gehofft. Und tatsächlich: Berry kam wieder nach Hause. Wir sahen eine Riesennarbe und man merkte ihm an, er ist erschöpft. Aber er hat ganz viele Menschen an seiner Seite, die alles für ihn tun. Regelmäßige Arztbesuche sind notwendig. Die 6 Wochen spätere CT Untersuchung und die Blutwerte ergaben als Befund: “Berry ist auf dem Weg in ein schönes und hoffentlich langes Katzenleben“

Huckleberry am 17. März 2013, ca. 2 Monate nach der OP. Ein kleiner, großer Kämpfer.

 

Hemmingway - vom Katzenkind zum Sorgenkind

Mal abgesehen von dem ein oder anderem kleinen Rückschlag, war unsere Zucht bisher von Glück gekrönt. Dann der schreckliche Verlust von Debbies Babys. Aber es hörte nicht auf. Noch bevor uns die schreckliche Nachricht über Huckelberry erreichte, machte uns der kleine Hemmingway große Sorgen. Eines Tages fiel uns auf, dass er plötzlich sehr ruhig war. Keine wilden Spiele mit den Geschwister, keine Neugier, alles zu erkunden, kein Gedränge am Futternapf. Er zog sich immer mehr zurück. Wir gingen zu unserer Tierärztin. Sie untersuchte ihn, konnte aber nicht feststellen. Er wird sich vielleicht einen kleinen Infekt zugezogen haben. Also Antibiotika und wieder nach Hause. Aber es wurde nicht besser. Im Gegenteil. Er isolierte sich komplett von allen anderen. Wenn seine Gechwister ihm beim spielen zu nahe kamen, fauchte und knurrte er. Uns war klar: er hatte Schmerzen. Also wieder zur Ärztin. Dort wurde er wieder auf den Kopf gestellt. Tests über Leukose, Seuche, Toxoplasmose... alle negativ. Da inzwischen die Diagnose von Berry auf einen Lebershunt vorlag, wurde Hemmingway auch darauf getestet. Wieder negativ. Da fiel unserer Ärztin auf, dass er große Schmerzen hat, wenn man den Kopf nach rechts dreht. Die Diagnose: er hatte sich, wahrscheinlich beim wilden spielen, an der Halswirbelsäule verletzt. Das wiederum hatte zur Folge, dass der Nerv sich entzündete. Inzwischen konnte er nicht mal alleine essen oder trinken. Er wurde von uns gefüttert. Immer wieder ein kleines Kügelchen Futter ins Mündchen, dann einige Pipetten Wasser... Sein Fell war sehr struppig. Er konnte sich ja nicht selber putzen. Also haben wir ihn gewaschen, mit einem lauwarmen, feuchten Waschlappen. Jede kleine Bewegung tat ihm höllisch weh. Nachts lag er zwischen uns im Bett. Wenn wir uns bewegten, schrie er vor Schmerzen laut auf. Dieser Schrei ging durch Mark und Bein. Jeden Morgen wachte ich auf und er hatte sich, wie auch immer, in der Nacht auf meinen Bauch gelegt. Das Aufstehen musste daher sehr vorsichtig geschehen. Und immer schön den Kopf stützen. Regelmäßig setzten wir ihn ins Katzenklo. Wir benutzten das kleine Kittenklo. Das konnten wir auch Nachts aufs Bett stellen und den kleinen Mann dann hinein setzten. Er wollte nie alleine sein. Also trugen wir ihn abwechselnd den ganzen Tag. Viele schreckliche Tage und Nächte vergingen, bis das Kortison, welches wir ihm jeden Tag geben mussten, anschlug. Heute spielt er wieder ausgelassen mit seinen Geschwistern und mit uns. Man merkt ihm nichts mehr an. Sind die Spiele zu wild, halten wir immer noch die Luft an. Die Schmerzen sind uns in Erinnerung geblieben. Heute ist Hemmingway ein wunderschöner Kater, der uns für unsere Mühe mit ganz viel Liebe dankt. Auch wird Hemmingway bei uns bleiben. Wir könnten uns nicht von ihm trennen. Er ist unser Baby, egal, wie groß er auch wird. 

 Hemmingway am 2. Mai 2013. Ein toller Kater. Er wird immer was ganz besonderes sein.

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